Beschreiben die Worte unseres Altbundeskanzlers Helmut Schmidt unsere Wirklichkeit?
In jedem Fall galt Schmidt als ein Mann des Wortes mit großer Stimme. Er setzte Maßstäbe, ob als Politiker oder als Publizist. Auch als Redner prägte er politische Diskussionen nicht nur durch Schlagfertigkeit, sondern durch seine Bildung, sein Charisma und seinen Wortwitz.
Heute hingegen, in einer beunruhigenden Tendenz zur Infantilisierung der politischen Kommunikation, greifen politische Führungspersonen vermehrt auf eine vereinfachte Sprache zurück.
Nicht nur, dass sie dadurch die Intelligenz ihrer Äußerungen untergraben, nein, die Sprachreduktion zeigt deutlich, wie die politischen Akteure das Bildungsniveau der Bürger einschätzen.
Wir erinnern uns beispielsweise an Annalena Baerbock, die dem Bundestag 25.000 EUR Sonderzahlungen verspätet gemeldet hatte, weil sie, wie sie öffentlich äußerte, es „nicht auf dem Schirm gehabt“ habe.
Und in einem Interview mit Robert Habeck aus dem Jahr 2022, bei dem es um Anreize für das Gassparen ging, äußerte dieser:
Es ist ja kein Spaß, den wir hier haben. Es ist eine ernste, gesellschaftspolitische Situation. Und wenn wir uns da gegenseitig nicht helfen, kommen wir da nicht durch. Wenn jemand sagt, ‚Ich helfe nur, wenn ich nochmal 50 Euro kriege‘ – dann würde ich sagen: ‚Die kriegst du nicht, Alter‘.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister, in: ZDF Interview vom 23.06.2022 21:50 Uhr, https://www.zdf.de, URL: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/habeck-gas-alarmstufe-interview-100.html [zuletzt abgerufen 07.08.2023]
Diese bewusste Volksnähe scheint im Trend zu liegen, möge man sie feiern oder nicht.
Der Trend einer reduzierten, schlichten und auf das Nötigste reduzierten Sprache entfernt uns jedenfalls zunehmend von unserem einstigen Qualitätsstandard. Außerdem gewinnen oberflächliche oder inhaltsleere Aussagen an Beliebtheit, weshalb ernsthafte politische Diskurse gar nicht erst zugelassen werden.
Wo sind sie hin, die Schmidts, Brandts, Wehners oder Weizsäckers?
Als Meister der Rede verstanden sie es, Zuhörer durch Authentizität, Natürlichkeit und Glaubwürdigkeit abzuholen, weshalb man ihnen Respekt und Bewunderung entgegenbrachte, auch wenn man in einem anderen politischen Lager stand. Mit ihren beeindruckenden Formulierungsgaben vermochten sie Menschen zu begeistern.
Doch wem ist die hohe Kunst der Rede heute noch zu eigen? Oder brauchen wir heutzutage als Markenzeichen unserer Politik die einfache Volkstümlichkeit?
Zu allem Überfluss wird dann auch noch die Grenze des Akzeptablen mit dem Maß der Annehmbarkeit überstiegen.
Erinnere man sich nur an das Schmähgedicht von Jan Böhmermann, über dessen Zulässigkeit sogar das Bundesverfassungsgericht zu urteilen hatte.
Obwohl der Satiriker in letzter Instanz eine Niederlage erlitt, fragt man sich, wie man sich traut, ein Gedicht mit Worten zu verfassen, die den Zenit der Zumutbarkeit deutlich überschreiten. Und später schließt sich sogar seine Kandidatur für den Posten des SPD-Parteichefs an – ein Scherz oder gar ernst gemeint? Das dürfen wir uns dann am Ende bzw. im Nachhinein selbst fragen.
Ob wir eine kluge Standortpolitik benötigen oder die von allen Politikern präferierte Geschlossenheit suchen, meist haben wir im Ergebnis „gelernt und verstanden“. Es ist letztlich eine inhaltsleere Großzügigkeit, mit der wir überflutet werden.
Unter Frau Merkel war vieles bereits „alternativlos“, Schröder sprach gerne ein Machtwort. Und seine Worte „Wir werden das machen, Basta“ ließen ihn sogar zum „Basta-Kanzler“ werden. Eine floskelhafte Sprache, die wenig Widerspruch zulässt, ist demnach nicht neu. Die immer stärker ausgeprägte Volksnähe in infantiler Sprache hingegen schon.
Viele steile Politik-Karrieren mit „kaum raus aus der Schule und schon rein ins Mandat“, viele stark reduzierte politische Diskurse für die breite Masse, oberflächliche Erklärungen, schnell darf man den Eindruck gewinnen, dass unsere politischen Akteure nicht nur ihre eigene, sondern auch unsere Intelligenz abstrafen.
Und nicht selten dürfen wir hinterfragen, ob wir tatsächlich mündige Staatsbürger sind, wenn hanseatische Arroganz im Unterton uns wiederkehrend zeigt, wie dumm wir doch alle sind. Zumindest weiß es – oder kann es keiner von uns besser als der Redner selbst.
Um auf die Sprache zurückzukommen. Sinnfreie Formulierungen, Allgemeinplätze in der Endlosschleife, einfache Bilder/Metaphern werden uns wohl weiter begleiten. Freuen wir uns also über originelle Begriffsbildungen wie beispielsweise beim „Gute-Kita-Gesetz“, das gut ist, sagt uns ja bereits der Name oder das „KiTa-Qualitätsgesetz“ für mehr Qualität – wer hätte das gedacht. Am Ende fühlen wir uns gut, weil einfach alles gut wird. Warum auch nicht? Notfalls hätten wir da sprachlich noch den Rettungsschirm und die Gaspreisbremse anzubieten.
Und wenn dann wider Erwarten nix funktioniert, dann halten wir doch einfach konsequent an unseren Zielen fest. Dann werden wir auch mit „Wumms“ und „Doppelwumms“ selbstbewusst und siegessicher weiter in die Zukunft schreiten.
Wer jetzt noch Fragen hat, gebe sich keinen Hoffnungen hin, sondern orientiere sich an der gängigen Praxis, die uns alle lehrt, mit der bewussten Verweigerung von klaren Antworten kommt man auch ans Ziel.